Mit Hilfe des Computers, der die historischen Quellen verarbeitet und aus den Ergebnissen jahrzehntelanger Ausgrabungen sind wir heute in der Lage, das urbane Stadtbild im Laufe der Jahrhunderte zu rekonstruieren. 
    Unter Kaiser Augustus, dank der neuen Verwaltungsordnung für Italien und der Schaffung der X. Regio, zu der ein ausgedehntes Gebiet einschließlich der östlichen Lombardei und der Halbinsel Istrien gehörte, wurde Aquileia Hauptstadt eines großen Territoriums und konnte ihre natürliche Berufung als Handelsplatz sehr rasch ausbauen. So wurde in kurzer Zeit ein beachtlicher Aufschwung erreicht, begünstigt auch durch den Flusshafen, für den eine Reihe von baulichen Maßnahmen festzustellen ist, die seine Vitalität während der Jahrhunderte beweisen und gleichzeitig Aufschluss über die Anstrengungen zur Lösung von Problemen in Zusammenhang mit Verän-derungen der Wasserführung des Flusses und der wirtschaftlichen Bedürfnisse geben (Übergang vom Transithandel zu einem System mit Zwischenlagerung der Waren und daher Bedarf an überdachten Lagerhäusern); von großem Interesse auch die Kanalbauten, die zur Verbindung der Kolonie mit der Lagune errichtet wurden. 
    Städtebaulich wurde ein eindrucksvolles Konzept entwickelt, sowohl was die flächenmäßige Größe als auch die monumentalen Strukturen betrifft: die Stadt umgab sich mit einem weitläufigen Mauergürtel, ausgestattet mit beschlagenen Toren, Wehrtürmen und Gräben, der im 3. Jh. seine größte Ausdehnung erfahren 

 

sollte; errichtet wurde ein Forum mit den dazugehörigen, öffentlichen Gebäuden wie eine römische Basilika ­ bestimmt für Sitzungen und Versammlungen und als Markt- und Gerichtsgebäude ­ der große Markt, der Tempel, die curia comitium. Vom Forum, mit einem Platz in der Größe von 130 m x 70 m, ist heute der Säulengang noch deutlich erkennbar, der nach antikem Muster wiederhergestellt wurde; dieses jahr zählte das Forum über 75.000 Besucher; es ist Gegenstand einer permanenten Ausgrabungstätigkeit, die von der Soprintendenza (Anm.d.Ü.: Amt für Altertumswesen und Denkmalpflege) unter der Leitung von Frau Dr. Franca Maselli Scotti koordiniert wird. 
    Die archäologischen Untersuchungen bestätigen das Bestehen zahlreicher Kultgebäude mit reichen architektonischen Verzierungen aus Terrakotta, die im Norden der Stadt errichtet wurden; weiters gab es nachweislich Stätten der Unterhaltung und Erholung, wie der Zirkus für die Veranstaltung von Pferderennen, das Amphitheater, das angeblich vom Patriarchen Poppone im 11. Jh. niedergerissen wurde, um die Bausteine für den Glockenturm zu gewinnen, die Großen Thermen, die 1922 zufällig entdeckt wurden, nachdem vielfarbige, figurative Mosaike und Marmoreinlegearbeiten freigelegt wurden, sowie das Theater, von dem uns einige Stühle mit den eingravierten Namen ihrer Besitzer erhalten geblieben sind. 
    Auch aus dem privaten Baubereich sind uns 

 

Reste erhalten, die Zeugnis von Reichtum und Überfluss jener Epoche ablegen: beispielsweise wurden im Zuge von verschiedenen baulichen Maßnahmen im Museum (1986-87) die Reste eines Hauses entdeckt, das bereits mit beheizten Räumlichkeiten, Abwasseranlagen und Mosaikböden ausgestattet war. Die Entdeckung eines Skalpells auf einem dieser Böden hat der Anlage ihren Namen - “Haus des Chirurgen“ - gegeben. Aus den sichergestellten Funden geht hervor, dass das Haus zwischen dem 1. und 4. Jh. n.Chr. bewohnt war. Bedeutende Teile von Mosaiken, die dem privaten Wohnbereich zuzuordnen sind, können in einer ausgedehnten Zone nördlich der Basilika von Aquileia besichtigt werden: es handelt sich um Mosaike in Schwarzweiß oder mehrfarbig, die sowohl durch ihre dekorative Wirkung als auch ihre Ausdehnung beeindrucken. Schöne Ornamente zieren das Haus der verletzten Tiere, das Haus von Calendione und Iovina und das Haus von Piazza Capitolo. 
    Im Gebiet von Aquileia konnten durch archäologische Untersuchungen zahlreiche Gräberfelder entdeckt werden, aus denen sowohl Bestattungen durch Einäscherung (Töpfe aus Terrakotta oder Glas, Steinurnen und Bruchstücke von Amphoren) als auch durch Beerdigung (in einfachen Gruben, in Holz- oder Ziegelsärgen) hervorgehen. Bei Ausgrabungen in der Örtlichkeit Beligna südlich von Aquileia wurden bereits seit 1548 reiche Grabausstattungen gefunden, die zeitlich in der ersten Kaiserzeit und in der Spätantike angesiedelt werden können. 
    Ausgedehnte Gräberfelder wurden auch in den Örtlichkeiten Colombara und S. Egidio an der damaligen Straße nach Emona gefunden, die zum wiederholten Male den Kult der Selbstdarstellung ihrer Besitzer beweisen: durch ihre gut sichtbaren Gräber sollten sie den Reisenden in ewiger Erinnerung bleiben. 
    Weitere Gräberfunde wurden entlang der Streckenführung der Via Annia in der Örtlichkeit Ponterosso und in der südwestlich von Aquileia gelegenen Via San Girolamo gemacht; bekannt und viel besucht ist die römische Begräbnisstätte auf der Via Annia Nuova mit einer Reihe noch heute sichtbarer Gräber, am prunkvollsten das Grab der Statii. 
    Berühmt ist auch das große Mausoleum eines unbekannten kaiserlichen Beamten, das 1937 auf der derzeitigen Via Giulia Augusta rekonstruiert wurde: 17 Meter hoch, ruht es auf einem imposanten Sockel mit zwei Löwen, die das Grab bewachen. 

 
     

(fortsetzung folgt )

 
 
  La facciata della basilica, con bifora centrale e atrio The cathedral’s facade   with two-light window   and atrium Fassade der Basilika   mit zweibogigem Fenster und Säulenvorhalle